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Elias Chacour – Israeli, Palästinenser, Christ

7. Mai 2007 in Buchtipp, keine Lesermeinung
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Ist Versöhnung im Heiligen Land überhaupt möglich? - Die österreichischen Journalistinnen Pia de Simony und Marie Czernin haben ein Buch über den Palästinenser-Erzbischof Elias Chacour veröffentlicht- Eine Buchbesprechung von Agläe Hagg.


Jerusalem (www.kath.net)
Um diese Frage in überraschender Weise zu beantworten, ist der Protagonist seiner soeben erschienenen Biographie, der israelische Staatsbürger Elias Chacour, geborener Palästinenser, aber nicht Moslem, sondern engagierter Christ, eigens aus Israel angereist.

Die Biographie „Elias Chacour, Israeli - Palästineser – Christ“, sorgfältigst recherchiert und leicht verständlich geschrieben, wurde von den beiden Journalistinnen mit Schwerpunkt Ost-West-Dialog und Nahostkenntnissen, Pia de Simony und Marie Czernin unlängst in Wien, Salzburg, München und Frankfurt präsentiert.

Sie zeigt die außergewöhnliche Geschichte dieses mittlerweile melkitischen Erzbischofs von Haifa auf, der den israelisch-palästinensischen Konflikt seit seiner Kindheit, hautnah miterlebt und durchlitten hat.

Als 9jähriger wurde er jäh aus seinem friedlichen galiläischen Dorf Biram (an der libanesischen Grenze) – samt Familie und Freunden – vertrieben. Die Gründung des Staates Israel bewirkt, dass Chacour zum Flüchtling im eigenen Land wird. Von der Staatszugehörigkeit her ist er ein Israeli, doch von der Volkszugehörigkeit ein Palästinenser – aber von der Religionszugehörigkeit kein Muslime wie die meisten, sondern eben Christ! Diese sehr komplexe, dreifache Identität, mit all den äußeren Problemen und inneren Konfliktsituationen, die eine solche Biographie in diesem zerrissenen Land mit sich bringt, lebt er nach dem Vorbild seines Landsmannes Jesus, der seinen Feinden vergibt und für sie betet.

Die Biographie von Elias Chacour ist in erster Linie die Geschichte eines Menschen, der trotz aller Widerstände, Rückschläge, Demütigungen und Lebensgefahr für sein Volk Heroisches geleistet hat. Unermüdlich hat Elias Chacour versucht – und meist ist es ihm auch gelungen! – ein friedensstiftender Vermittler zwischen Juden, Muslimen und Christen zu sein. Dafür wurde er schon 3 Mal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Gegen vielerlei Widerstände gelang ihm nach seinem Studium in Paris zunächst die Errichtung eines Kindergartens für arabische und jüdische, christliche und muslimische Kinder in Ibillin, um durch gemeinsame Ausbildung und gemeinsames Leben gegenseitiges Verständnis aufzubauen und dem immer wieder aufkeimenden Hass entgegenzuwirken. Daraus wird im Lauf der Jahre ein Bildungszentrum, Gymnasium und Universität mit staatlicher Anerkennung. Heute finden hier etwa 4000 Schüler und Studenten eine Ausbildung auf internationalem Niveau. Chacour versteht es, in aller Welt Sponsoren und Mitarbeiter für sein Werk zu gewinnen. Nicht zuletzt zählt auch Shimon Peres, langjähriger israelischer Politiker und 1994 gemeinsam mit Jhitzak Rabin und Jassir Arafat Friedensnobelpreisträger. Ein Jahr zuvor schrieb dieser Shimon Peres an Chacour: „20 Jahre lang haben wir Sie als Feind Israels betrachtet. Im Laufe der Zeit haben wir aber in Ihnen einen Freund entdeckt, der uns die Wahrheit vor Augen hält, auch wenn es schwer fällt, sie zu akzeptieren.“

Chacour beantwortet die Frage, ob eine friedliche Lösung des Nahostkonfliktes möglich sei, ganz eindeutig mit JA. Von solchen Menschen gibt es ja nicht viele. Und nicht von ungefähr verlassen junge Leute aller Volksgruppen scharenweise dieses Land, wo sie keine Zukunft zu haben meinen. 9 sinnlose Kriege hat Chacour in seinem eigenen Leben in diesem Land erlebt. Was ist dann aber das Rezept, mit dem Chacour heute eine fast fünftausendköpfige Schule für Juden, Muslime und Christen, ohne ständig Streit im Haus zu haben? Was gibt ihm Zuversicht und diese unglaubliche Kraft, woher kommt seine Ausstrahlung?

Chacour verlangt als erstes, wir sollten NIE wieder eine der Gruppen verurteilen, wenn wir Nachrichten aus dem Nahen Osten hören. Von Palästinensern, Juden und Christen in und um Israel sagt er: „Wir sind alle Kinder des gleichen Gottes, Nachkommen des gleichen Vaters Abraham. Wer von uns ist mehr Semit als die anderen? Nein, das ist kein Rassenkonflikt! Wir streiten um das gleiche Stück Land, den einen das Land der Väter, für die anderen das gelobte Land. Aber eines ist sonnenklar: „As long as we do not respect each other’s right to live, we will not have a way to live. None of us!”

Und Chacour macht dabei keinen Kompromiss: “Jews and Palestinians have to learn how NOT to have a land belonging to you alone! We have to learn HOW TO BELONG TO THE COUNTRY.” Mit seinem „Number 2-passport“ (Israelis haben Passnummern mit 01 beginnend, jene der Palästinenser beginnen mit 02) fühlt sich Chacour freier, zu sagen was er denkt, als jeder Palästinenser in irgend einem arabischen Land. Und dafür ist er dankbar. Der traditionell hohe Bildungsstand seines Volkes könnte ein Ansatzpunkt für alle Friedensbemühungen sein. Nur von einem hohen Bildungsniveau kann eine Beruhigung ausgehen und deshalb gilt es, die (Aus-)Bildung zu fördern, weiss Chacour. Er sieht in Bildung und Ausbildung der Jugend den einzigen Schlüssel in eine bessere Zukunft. Sein letztes Wortspiel am Ende des Vortrages klingt noch lange in den Zuhörern nach. Immer wieder wird Chacour gefragt: Wie soll es weitergehen? Und die Antwort ist ebenso einfach wie programmatisch: „One day – maybe - we can agree to disagree agreeably.“

Woher nimmt er die Kraft an so etwas zu glauben? Wieder verweist er uns auf das Vorbild seines Vaters: Nachdem man Chacours Heimatdorf – vor den Augen der Familie – im wahrsten Sinne in die Luft gejagt hatte, nahm sein Vater die Kinder beiseite und betete leise: „....vergib ihnen, oh Herr, denn sie wissen nicht was sie tun...“ Einige Tage später erklärte der Vater seinen Kindern, dass „Juden und Palästinenser doch Brüder sind – echte Blutsbrüder. Wir haben denselben Vater, Abraham, und denselben Gott. Das sollten wir NIE vergessen...“, sagte er mit Nachdruck.

„Diese Einstellung prägt das Leben und die Arbeit von Elias Chacour“, sagt de Simony über den Helden ihrer Biographie. Und sie betont: „Er ist nicht den leichten Weg der Rache oder des Hasses gegangen, sondern den Weg seiner Eltern: den konsequenten Weg der Versöhnung und der Verständigung – egal welche Stolpersteine er auf seinem Lebensweg vorfand. Und das waren nicht wenige. Wir haben sie alle im Buch beschrieben.“ Für de Simony und Czernin war von der Begegnung mit Chacour an klar: das ist der ideale Vermittler schlechthin, weil er wegen seiner Herkunft und seines Curriculum allen Seiten in diesem Nahostkonflikt auf gleicher Augenhöhe begegnen kann. Er versteht alle, liebt alle, kennt alle – und sie verstehen ihn!Wie ein spannender Roman liest sich das Buch über Elias Chacour und doch ist es eine authentische Dokumentation. So das begeisterte Urteil von Prof. Philipp Harnoncourt über das Buch. Und weiter sagt er, die „eminence grise“ der Ökumene in Österreich, dass dieses Buch ein „Pflichtlektüre für alle“ sei, „die sich Sorgen machen um Verständigung, Versöhnung und Frieden zwischen verfeindeten Familien, Gruppen, Völkern und Religionen“!

Pia de Simony, Marie Czernin
Elias Chacour – Israeli, Palästinenser, Christ.
224 Seiten
20,50 EURO

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