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Vor 150 Jahren berief Pius IX. das Erste Vatikanische Konzil ein

26. Juni 2018 in Chronik, 3 Lesermeinungen
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Absage an "Zeitirrtümer" und Proklamation des Papstprimats - Von Johannes Schidelko


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Es war eines der kürzesten und zugleich der einschneidendsten Konzilien der Kirchengeschichte: Vor 150 Jahren, am 29. Juni 1868, berief Papst Pius IX. (1846-1878) nach mehrjährigen Geheimsondierungen das Erste Vatikanische Konzil ein, mit dem die katholische Kirche die wichtigsten "Zeitirrtümer" verurteilte und zugleich den Primat des Papstes festschrieb. Insgesamt 774 der 1.050 damals stimmberechtigten Kardinäle und Bischöfe der Weltkirche nahmen rund eineinhalb Jahre danach, ab 8. Dezember 1869, an der bis dahin größten Kirchenversammlung aller Zeiten teil. Doch schon nach acht Monaten wurde dieses nach römischer Zählung 20. Ökumenische Konzil aufgrund der politischen Wirren auf unbestimmte Zeit vertagt.

Über 300 Jahre lang, seit dem Konzil von Trient (1545-63), hatte zuvor keine Allgemeine Synode mehr getagt. Das Erste Vaticanum sollte die katholische Welt zu einer machtvollen Manifestation der Wahrheit versammeln, die kirchliche Disziplin den veränderten Zeitverhältnissen anpassen und angesichts der "Irrtümer der Zeit" die kirchliche Lehre neu bekräftigen. Bereits 1864 hatte Pius IX., der sich nach einem liberalen Beginn seines Pontifikats zunehmend von der Welt abgrenzte, im sogenannten Syllabus errorum diese "Irrtümer" zusammengefasst und verurteilt.

Schon vor dem Konzil spitzten sich die Spannungen zu, als publik wurde, bei der Kirchenversammlung solle die Unfehlbarkeit des Papstes verkündet werden, notfalls durch Akklamation ohne formale Abstimmung. In Deutschland war der angesehene Theologe Ignaz Döllinger Wortführer im Kampf gegen dieses Ziel.


Abstimmung über zwei Dekrete

Das Konzil tagte im rechten Querhaus des Petersdoms, das durch eine bemalte und Marmor vortäuschende Holzwand abgetrennt war. Die Akustik war miserabel. Denn praktisch nur die jüngeren Konzilsväter konnten den meist in schleppendem Kirchenlatein vorgetragenen Interventionen problemlos folgen. Erstmals wurden wie im parlamentarischen Geschäft stenografische Protokolle angefertigt. Anders als bei früheren Konzilien waren die Vertreter der politischen Mächte nicht geladen, wohl aber die Patriarchen der von Rom getrennten Ostkirchen - die jedoch der Einladung nicht folgten.

Zwar waren vor dem Konzil 51 Entwürfe für Dekrete erarbeitet worden, zur Beratung und Abstimmung kamen jedoch nur zwei. In seiner dritten Sitzung am 24. April 1870 verabschiedete das Konzil die dogmatische Konstitution "Dei filius" über den katholischen Glauben. Darin entfaltete es die Lehre von Schöpfung und Glaubensakt sowie das Verhältnis von menschlicher Vernunft und göttlicher Offenbarung. Zugleich verurteilte es Atheismus, Materialismus, Pantheismus, Rationalismus und Traditionalismus.

"Ex cathedra"-Kritiker reisten ab

Die Behandlung des zweiten Teils über die Dreifaltigkeit sowie über Erschaffung, Fall und Erlösung des Menschen wurde auf Drängen vieler Konzilsväter verschoben. Denn mit Spannung erwarteten sie die Debatte über den Papstprimat - also über den Papst als höchste Rechtsgewalt (Jurisdiktionsprimat) und als höchste Lehrvollmacht, wenn er Entscheidungen zu Lehr- und Moralfragen "ex cathedra" als unfehlbar verkündet. Eine beachtliche Minderheit äußerte Bedenken. Eine solche Definition öffne dem Missbrauch des kirchlichen Lehramts Tür und Tor, so der Tenor der meisten Einwände.

In der Vorbereitungssitzung stimmten von 601 anwesenden Konzilsvätern 451 mit Ja, 88 mit Nein, und 62 verlangten Änderungen. Nachdem ein letzter Vermittlungsversuch der Kritiker bei Pius IX. gescheitert war, reisten 57 von ihnen vorzeitig ab, um nicht in Anwesenheit des Papstes gegen die Dogmatisierung stimmen zu müssen. So erhielt die Konstitution "Pastor aeternus" bei der feierlichen Verabschiedung am 18. Juli 1870 lediglich zwei Gegenstimmen.

Blitz und Donner

Während der Sitzung ging ein schreckliches Unwetter mit Blitz und Donner über Rom nieder. In der Basilika war es trotz des Julitags so dunkel geworden, dass nur mit Hilfe von Kerzenleuchtern der Text verlesen werden konnte. Die Kardinäle und Bischöfe waren durchnässt, der Boden der Aula lehmverschmiert. Ein Tag später, am 19. Juli 1870, begann der deutsch-französische Krieg. Die meisten Bischöfe reisten ab, das Konzil wurde unterbrochen. Napoleon III. zog seine zum Schutz des Papstes in Rom gelassenen Truppen ab. Am 20. September wurde Rom von den piemontesischen Truppen eingenommen, der Kirchenstaat hörte auf zu bestehen. Genau einen Monat später vertagte Pius IX. schließlich das Konzil "sine die" - auf unbestimmte Zeit.

Nacheinander akzeptierten auch die kritischen Bischöfe die Entscheidung des Konzils. Das Papsttum ging aus dem Konzil - trotz des gleichzeitigen Verlustes seiner weltlichen Macht - gestärkt hervor. Rom wurde mehr und mehr zum Zentrum der Weltkirche.

Dem Konzilsentscheid folgte aber auch ein Exodus zahlreicher Intellektueller. Aus der Protesthaltung bildete sich im deutschsprachigen Raum die Altkatholische Kirche, deren Einfluss in den folgenden Jahren freilich zurückging. Übrigens hat nur ein Papst bislang von einer Ex-cathedra-Entscheidung Gebrauch gemacht: Pius XII., als er 1950 das Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete.

Archivfoto: Papst Pius IX.


Copyright 2018 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten


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Lesermeinungen

 mphc 27. Juni 2018 

@Couperin

Wie bitte? Möchten Sie Ihren Kommentar erklären?


0
 
 Couperin 27. Juni 2018 
 

Ausweitung der Unfehlbarkeit

Das Problem ist auch nicht die Unfehlbarkeit von Ex-Cathedra-Erklärungen, sondern die Ausweitung der Unfehlbarkeit auf andere Lehrakte des Papstes und des Kollektivs aller Bischöfe.


0
 
 mphc 27. Juni 2018 

Bei der Schilderung der Ereignisse

läuft einem die Gänsehaut auf.
Zum Thema Unfehlbarkeit sagt Manfred Lütz in "Skandal der Skandale": "Kommunikationstheoretisch ist das Unfehlbarkeitsdogma von 1870 eigentlich kein konservativer Akt. Denn da es de facto wegen der hohen Hürden kaum je zur Anwendung kommt, bedeutet es in der täglichen Praxis: Allen Katholiken ist es verboten, unfehlbar zu sein, und dem Papst fast immer auch. Das Unfehlbarkeitsdogma wirkt daher eher als Unfehlbarkeitsverbot, es begrenzt Rechthaberei , verhindert Selbstüberschätzung und Sektenbildung. Im Grunde könnte man es liberal nennen, wenn das nicht in diesem Zusammenhang zu irritierend klingen würde."(Seite 201)


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