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Austrittserklärung vor staatlichen Behörde ist kein Kirchenaustritt

16. März 2008 in Deutschland, keine Lesermeinung
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"Radio-Vatikan"-Kirchenrechtler Gero Weishaupt zum Thema "Kirchenaustritt": Man darf gespannt sein, wann und wie die deutschen Bischöfe den Vorgaben des Gesetzgebers, der hier eine authentische Interpretation bietet, entsprechen und ihr System ändern


Rom (kath.net)
Der deutsche Kirchenrechtler Dr. Gero P.Weishaupt nimmt auf seiner Homepage zum Thema "Kirchenaustritt" Stellung. In der neuen Kategorie "Sie fragen - ich antworte" beantwortet Weishaupt aktuelle Fragen im Zusammenhang mit dem Kirchenrecht:

Frage: Wenn der Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts kein Austritt im Sinne des Kirchenrechts ist und somit keine kirchenrechtlichen Rechtswirkungen nach sich ziehen kann, drängt sich mir in einem Umkehrschluss die Frage auf, ob es dann nicht auch eine Aufnahme als Mitglied in die Kirche im Sinne des Kirchenrechts geben kann, ohne gleichzeitig der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts beitreten zu müssen.

Antwort: Die Antwort ergibt sich aus dem die Mitgliedschaft in der Kirche begründenen Sakrament der Taufe und dem Verhältnis von Gesamtkirche und Teilkirche.

Mitglied der Kirche wird man durch die Taufe (vgl. cann. 98, 204, 849). Die Kirche Jesu Christi existiert konkret in der Katholischen Kirche (can. 204 § 2 i.V.m. Lumen Gentium Nr. 8: “subsistit in Ecclesia Catholica”). Jeder Gläubige wird also durch die Taufe eingegliedert in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Das aber bedeutet, dass der Getaufte nicht mittelbar durch seine Zugehörigkeit zu einer konkreten Partikularkirche (Teilkirche), etwa einer Diözese (vgl. can. 368), zur universalen Kirche gehört. Vielmehr wird er durch die Taufe unmittelbar der universalen Kirche eingegliedert, auch wenn der Eintritt in die universale Kirche notwendigerweise sich in einer bestimmten Partikularkirche verwirklicht. Dies geht eindeutig aus dem Schreiben der Glaubenskongregation vom 22. Mai 1992 an die Bischöfe der Katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio hervor (AAS 85 [1993] 843, n. 10.). Durch die Taufe wird man nicht Mitglied einer Ortskirche. “In der Taufe geht immer wieder die Universalkirche der Ortskirche voraus und schafft sie. ... Jeder ist” darum “überall zu Hause und nicht bloss zu Gast. Es ist immer die eine Kirche, die eine und selbige. Wer in Berlin getauft ist, ist in der Kirche in Rom oder in New York oder in Kinshasa oder in Bangalore oder wo auch immer genau zu Hause wie in seiner Taufkirche. Er braucht sich nicht umzumelden, es ist die eine Kirche. Die Taufe kommt aus ihr und gebiert in sie hinein” (Joseph Ratzinger, Über die Ekklesiologie de Konstitution “Lumen Gentium”, Vortrag abgedruckt in Die Tagespost, März 2000). Darum sind Aussagen des Taufspenders zu Beginn einer Taufe wie “N., wir haben dich in unsere Gemeinde/Ortskirche aufgenommen” nach katholischer Theologie (Ekklesiologie) falsch. Es ist die Kirche als ganze, die den Täufling aufnimmt und deren Mitglied er wird.

Can. 368 sagt nun in Anlehnung an Lumen Gentium 23 des Zweiten Vatikanischen Konzils u.a., dass die Katholische Kirche aus den und in den Teilkirchen besteht (“in quibus et ex quibus una et unica Ecclesia catholica existit”). Damit ist ein inneres und ein äusseres Element der Gesamtkirche angesprochen. Einerseits besteht sie in den Teilkirchen, in denen sie konkrete Gestalt gewinnt aufgrund des Bischofsamtes und der einen Sendung der Kirche in Wort und Sakrament, so dass die Teilkirche die sichtbare Erscheinungsform der Gesamtkirche ist, andererseits besteht die Gesamtkirche aus Teilkirchen. Inneres und äusseres Element stehen aber nicht unverbunden nebeneinander. Vielmehr greifen beide Elemente der einen Kirche ineinander. Die Gesamtkirche existiert ihrem Wesen nach ganz in der Teilkirche (das besagt die Formel “in quibus”), zugleich aber wird sie aus den Teilkirchen aufgebaut (das besagt die Formel “ex quibus”). Doch ist die Kirche nicht das Ergebnis einer Gemeinschaft von Teilkirchen, gleichsam ein Kirchenbund, eine Föderation von Kirchen, vielmehr geht die Gesamtkiche jeder Teilkirche sowohl onthologisch als auch zeitlich voraus (vgl. Brief der Glaubenskongregation vom 22. März 1929, Nr. 9: “... non est enim fructus communionis istarum, sed, pro essentiali suo mysterio, ontologice et temporaliter praecedit quamcumque Ecclesiam particularem”.) Wenngleich daher can. 369 zurecht feststellt, dass die Katholische Kirche in der Teilkirche “wahrhaft gegenwärtig ist und wirkt” (“vere inest et operatur”), ist sie dennoch nicht mit ihr identisch, sondern ist ihr onthologisch wie zeitilich vorgeordnet. Darum aber kann es zwischen einer Teilkirche (etwa einer Diözese) und der staatlichen Einrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes keine Realidentität geben. Die Behauptung einiger Kirchen- und Staatskirchenrechtler (u.a. J. Listl, A. Hollerbach. H. Heimerl, H. Pree u.a.), der Köperschaftsstatus der Kirchen in Deutschland gehöre zur rechtlichen Existenz- bzw. Erscheinungsform der Kirche, ist darum ekklesiologisch unhaltbar.

Unter diesen ekklesiologischen Bedingungen und Vorgaben muss folglich zwischen der Mitgliedschaft zur Katholischen Kirche als geistlicher und zugleich in ihren hierarchischen Strukturen und Sakramenten sichtbarer Gemeinschaft einerseits und der Mitgliedschaft in dem staatlichen Gebilde der Kirche als einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes andererseits unterscheiden werden, da beide - Katholische Kirche und Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechtes - nicht identisch sind. Daraus folgt weiter, dass es im Grunde eine doppelte Mitgliedschaft gibt: die zur Katholischen Kirche und die zur Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Erstere wird begründet durch die Taufe, letztere durch die Zugehörigkeit zur Teilkirche, insofern ihr in Deutschland staatlicherseits verfassungsrechtlich der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes verliehen ist. “Eine Realidentität” der Katholischen Kirche, die in und aus Teilkirchen besteht, mit der Körperschaft des öffentlichen Rechts “würde voraussetzen, dass man auch aus katholischer Sicht eine durch die Taufe oder Aufnahme in die katholische Kirche begründete Mitgliedschaft beenden kann. ... Ist Kirche aber eine eigene heilsgeschichtliche und rechtliche Grösse, dann kann und darf sie sich nicht mit konkreten staatlichen Rechtsformen identifizieren, vor allem dann nicht, wenn wesentliche unaufgebare ekklesiologische Grundsätze wie das Gliedschaftsrecht betroffen sind” (René Löffler, Ungestraft aus der Kirche austreten? Der staatliche Kirchenaustritt aus kanonistischer Sicht, Würzburg 2007, 159 f. Eine Rezension des Buches finden Sie bei Radio Vatikan).

Aufgrund der obigen Argumente kann die Frage, ob es “eine Aufnahme als Mitglied in die Kirche im Sinne des Kirchenrechts geben kann, ohne gleichzeitig der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts beitreten zu müssen” bejaht werden. Ekklesiologisch jedenfalls ist dies möglich, 1. weil die Taufe bzw. die Aufnahme eines bereits getauften Nichtkatholiken nicht in die Teilkirche, sondern in die universale Kirche eingliedert, 2. weil die Teilkirche, in der die Gesamtkirche besteht und aus der sie mit anderen Teilkirchen strukturiert ist, nicht mit der Körperschaft des öffentlichen Rechtes, die der Kirche in Deutschland gemäss Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Absatz 5 der Weimarer Verfassung von staatlicher Seite zuerkannt wird, identisch ist.

Frage: Immer wieder stösst man im Zusammenhang mit dem Kirchenaustritt auf den Begriff des "formalen Aktes". Der Kirchenrechtler Zapp behauptete ja, dass sein Kirchenaustritt im August 2006 kein eigentlicher Kirchenaustritt gewesen ist. Er betrachtet sich nicht aus der Kirche ausgeschlossen, weil er keinen "formalen Akt" vollzogen hat. Er habe ja nur vor einer staatlichen Behörde seinen Austritt mitgeteilt. Können Sie mir erläutern, was man unter einem "formalen Akt" versteht?

Antwort: Unter den Kirchen- und Staatskirchenrechtlern gab es hierzu unterschiedliche Ansichten. Als zwei Repräsentanten mit gegensätzlichen Auffassung möchte ich den Münsteraner Kanonisten Klaus Lüdicke und den Bonner Staatskirchenrechtler Josph Listl nennen. Doch möchte ich an dieser Stelle nicht in die Diskussion einsteigen. Das brauche ich auch nicht. Denn spätestens seit dem 13. März 2006 gibt es aus dem Vatikan eine authentische Interpretation dessen, was man unter einem "formalen Akt" versteht. Ein Rundbrief des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte gibt nun endlich darüber Aufschluß, womit die Diskussion abgeschlossen ist (Roma locuta causa finita).

Zusammengefaßt müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit es es sich um einen wirklich gültigen und im kirchlichen Bereich Wirkung zeitigenden formalen Akt des Kirchenaustritts handelt:

1. Die innere Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen. Es muß beim den Austritt Erklärenden der Wille bestehen, sich von der Gemeinschaft der Kirche zu trennen. Das setzt innerlich einen Akt der Apostasie, der Häresie oder des Schismas voraus. Was genau das Motiv ist, müßte geprüft werden, ist aber für die Rechtswirkung, nämlich die Exkommunikation, unerheblich.

2. Die Umsetzung und äußere Kundgabe dieser inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen. Innerer Wille zur Trennung und äußere Kundgabe gehören zusammen. Der formelle Akt beinhaltet ja mehr als nur einen juristisch-administrativen Akt bei einer kirchlichen Behörde. Die Kundgabe muß schriftlich erfolgen, und zwar persönlich, bewusst und frei. Wenn er nur mündlich erfolgt, wäre er ungültig (vgl. den Rechtssatz: Quod non est in actis, non est in mundo. Was nicht in den Akten steht, existiert nicht). Andernfalls handelt es sich nicht um einen juridischer Akt. Wo kein juridischer Akt gesetzt wird, entstehen auch keine Rechtsfolgen (hier der Austritt und die Exkommunikation mit den damit verbundenen Verlusten von Rechten, die dem Christgläubigen in der Kirche zustehen).

3. Die Entgegennahme dieser Entscheidung durch die zuständige Autorität. Zuständig ist nicht eine staatliche Behörde, sondern der Ordinarius (Bischof, Bischofsvikar) oder der eigene Pastor. Es kann also nur bei kirchlichen Behörden (Ordinariat/Generalvikariat, Pfarramt) eine Kirchenaustrittserklärung abgegeben werden. Denn nur eine kirchliche Behörde ist kompetent zu beurteilen, ob ein Wille zum Kirchenabfall vorliegt oder nicht. Der Staat ist auch deshalb dafür inkompetent, weil er keinen Austritt aus der Kriche kennt, sondern nur den Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechtes "Kirche". Man sollte darum auch richtigerweise nicht von einem Kirchenaustritt sprechen, sondern von einem "Körperschaftsaustritt" (so ganz richtig H. Zapp).

Der "formale Akt" ist, wenn er denn vorliegt, d.h. wenn die vorher genannten drei Bedingungen erfüllt sind, in das Taufregister (vgl. can. 535 § 2 CIC/1983) einzutragen. Durch die eingetretene Exkommunikation verändert sich die Rechtsposition des Ausgetretenen. Das durch die Taufe sakramental begründete Band des Ausgetretenen mit der Kirche bleibt jedoch unauflöslich.

Die Austrittserklärung vor einer staatlichen Behörde ist also kein Kirchenaustritt im kirchenrechtlichen Sinn. Damit hat er auch keine Rechtsfolgen in der Kirche. Die einzige Folge ist die Befreiung vom automatischen Inkasso der Kirchensteuer. Das ist aber eine staatliche Rechtsfolge und keine kirchliche. Die Kirche wird davon nur indirekt berührt, als der Staat die Steuern der Kirche nicht mehr zuwendet. Zusammengefasst: Wenn jemand aus welchen Motiven auch immer (steuerlichen, häretischen, schismatischen oder apostatischen) vor einer staatlichen Behörde (Amtsgericht, Finanzamt) seinen Austritt aus der öffentlichen Körperschaft Kirche erklärt, liegt kein formaler Akt im oben beschriebenen Sinn vor. Der so aus der öffentlichen Köperschaft Kirche Ausgetretene ist weiterhin - auch rechtlich - Mitglied der Kirche, da seine nur vor der staatlichen Behörde abgegebene Erklärung keinerlei Rechtswirkungen für den kirchlichen Bereich hat. Sakramenten und Begräbnis dürfen ihm nicht verweigert werden. Eine Rekonziliation ist nicht erforderlich, da keine Exkommunikation eingetreten ist.

Zum ganzen Fragenkomplex kann ich Ihnen folgendes lesenswertes Buch empfehlen: René Löffer, Ungestraft aus der Kirche austeten? Der staatliche Kirchenaustritt in kanonistischer Sicht = Forschung zur Kirchenrechtswissenschaft 38, Würzburg 2007. Dazu habe ich eine Rezension geschrieben, die Sie auf der Homepage von Radio Vatikan finden können.

Man darf gespannt sein, wann und wie die deutschen Bischöfe den Vorgaben des Gesetzgebers, der hier eine authentische Interpretation bietet, entsprechen und ihr System ändern.

Frage: Nachdem im Laufe der letzten Jahre klar wurde, daß ein Austritt aus dem deutschen Kirchensteuersystem nicht notwendigerweise ein Austritt aus derKirche als geistlicher Gemeinschaft ist, erreicht mich von verschiedenenSeiten immer wieder die Frage, wie dieser Austritt von statten gehen soll.Es sollte sicherlich ein Brief an den zuständigen Bischof gesandt werden, indem die Gründe klargelegt werden, d.h., daß es nicht um Trennung von derKirche geht, sondern darum, daß man nicht gewillt ist, länger bestimmte glaubenszersetzende Praktiken zu unterstützen bzw., daß man die Priester des alten Ordo unterstützen möchte, für deren Auskommen man ohnehin noch Gelderspenden muß, da diese in aller Regel noch immer nicht von diözesaner Seitebesoldet, sondern mit Mißtrauen oder gar Ablehnung bedacht werden. Kann ein solchermaßen "ausgetretener Katholik" eine Beerdigung bekommen?

Antwort: Der Kirchenaustritt erfolgt durch eine entsprechende schriftliche Erklärung vor einer kirchlichen Behörde (bischöflichen oder pfarrlichen). Damit ist ein formaler Akt gegeben. Der Kirchenaustritt hat nach can. 1184 CIC/1983 Paragraph 1, Nr. 1 die kirchenrechtliche Folge, dass das kirchliche Begräbnis und das Requiem (vgl. can. 1185) verweigert wird. Im Einzelfall wäre zu prüfen, was das Motiv für den Kirchenaustritt ist: Apostasie, Häresie oder Schisma. Die kanonischen Rechtsfolgen bleiben aber dieselben. Jedenfall ist klar, dass mit Rücksicht auf die in der Kirchenaustrittserklärung mitgeteilten Entscheidung ein Begräbnis nicht möglich ist, es sei denn es wird ein Zeichen der Reue gegeben.

Fest steht, auch wenn die deutsche Praxis zur Zeit noch anders aussieht und deutlich gegen römische Vorschriften in Sachen "actus formalis ab Ecclesia deficere" verstösst, dass der Austritt vor einer staatlichen Behörde kein Kirchenaustritt ist, sondern nur ein Austritt aus der Kirche als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

www.gero-p-weishaupt.com



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