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Rabbiner: Lutherjahr feiert einen 'Judenhasser und Judenvertilger'

16. September 2016 in Deutschland, 2 Lesermeinungen
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Ehemaliger Landesrabbiner von Baden-Württemberg: Bevorstehendes Reforamtionsjubiläum hindert jüdisch-christlichen Dialog. Unsachliche Kritik an Israel und Boykott sei Ärgernis für viele Juden - Ahmad Mansour fordert Ehrlichkeit im Dialog mit Islam


Köln (kath.net/idea) Zwischen Christen und Juden kann es derzeit keinen ernsthaften Dialog geben. Diese Meinung vertrat der ehemalige Landesrabbiner von Württemberg, Joel Berger (Tübingen), auf dem Kongress „Natürlich für Israel“ am 11. September in Köln. An der Veranstaltung des Jüdischen Nationalfonds nahmen rund 1.000 Besucher teil. Ein zentrales Hindernis für den christlich-jüdischen Dialog sei, dass die Kirchen Juden immer noch als „Missionsobjekte“ betrachteten, sagte Berger in einer Diskussionsrunde mit dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski (Düsseldorf).

Als weiteres Problem nannte er das bevorstehende Reformationsjubiläum: Mit Martin Luther (1483–1546) feiere die Kirche einen der größten „Judenhasser und Judenvertilger“ der deutschen Geschichte.

Theologisch gebe es zwischen Christentum und Judentum bleibende Gegensätze. „Wir weisen die Idee zurück, dass Gott sich in irgendeiner menschlichen Form inkarniert hat oder dass irgendein menschliches Wesen ein Objekt der Anbetung sein könnte.“ Auch die Behauptung des Apostels Paulus, dass durch Leben und Tod Jesu das jüdische Religionsgesetz aufgehoben worden sei, könnten gläubige Juden nicht akzeptieren. Gleichzeitig seien zentrale Aussagen des Christentums vom Judentum übernommen. „Was ist an der Nächstenliebe christlich? Sie steht doch in unserer Bibel“, so Berger in Anspielung auf das alttestamentliche Gebot der Nächstenliebe in 3. Mose 19,18. Unter Christen gebe es eine große Unkenntnis über die jüdischen Grundlagen ihrer Religion.


Berger: Kirchliche Kritik an Israel ist ein Ärgernis

Laut Berger ist der Dialog für die jüdische Seite nicht wichtig. Die Kirchen brauchten ihn, um sich nach der moralischen Katastrophe der nationalsozialistischen Zeit „wieder aufzurappeln“. So sei selbst in der „Stuttgarter Schulderklärung“ der Massenmord an den Juden noch mit keinem Wort erwähnt worden. In dieser Stellungnahme hatte der Rat der EKD am 19. Oktober 1945 die Mitschuld evangelischer Christen an den Verbrechen der Nationalsozialisten eingestanden.

Ein Ärgernis für viele Juden sei außerdem, wenn Kirchenvertreter und Theologen den Staat Israel unsachlich kritisierten oder gar zu Boykotten aufriefen. Dabei habe „dieses Land bereits mehr Christen das Leben gerettet als die Kirchen jemals Juden das Leben gerettet haben“, sagte Berger.

Rekowski: Kirche hat der Judenmission eine klare Absage erteilt

Präses Rekowski erwiderte, der christlich-jüdische Dialog habe für die rheinische Landeskirche einen hohen Stellenwert. Sie habe bereits 1980 der Judenmission eine klare Absage erteilt und sich wiederholt „zur bleibenden Treue Gottes zu seinem auserwählten Volk“ bekannt. Die Landeskirche sehe in der Errichtung des Staates Israel ein Zeichen dieser Treue und trete allen Boykottaufrufen entschieden entgegen. Mit Blick auf die jüdischen Wurzeln des Christentums sagte Rekowski, Christen sei klar, „dass wir aus Quellen schöpfen, die wir nicht gefüllt haben“.

Auch der schlimmen antisemitischen Ereignisse in der Kirchengeschichte seien Christen sich heute bewusst. Deshalb werde etwa Luther beim Reforrmationsjubiläum nicht kritiklos gefeiert. Stattdessen setze sich die Kirche „intensiv mit Luthers Judenhass und seiner Wirkungsgeschichte auseinander“.

Zwischen Christen und Juden gebe es heute „viel lebendiges und gelingendes Miteinander“, erklärte Rekowski. Wichtiger als der „Dialog der Gremien“ sei es, im Alltag voneinander zu lernen. Als Beispiel nannte er die gute Nachbarschaft von jüdischer und evangelischer Gemeinde in Wuppertal. Dort habe die Kirche das Grundstück für den Bau einer neuen Synagoge zur Verfügung gestellt.

Ehrlichkeit im interreligiösen Dialog mit dem Islam

Einen „ehrlichen interreligiösen Dialog mit dem Islam“ forderte der Islamismus-Experte Ahmad Mansour (Berlin) auf dem Kongress. Es müsse möglich sein, kritische Fragen an den Islam zu stellen, etwa zur Diskriminierung von Frauen und zur Gewaltbereitschaft unter den in Deutschland lebenden Muslimen. Manche der gut gemeinten staatlichen Programme gegen die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher „funktionieren gar nicht“, kritisierte Mansour. Eine der Ursachen sei eine „große Naivität“ staatlicher Stellen bei der Partnersuche. Sie verließen sich dabei teilweise auf Organisationen, die selber islamistisches Gedankengut propagierten. Die demokratischen Werte müssten jungen Menschen vor allem in den Schulen konsequent vermittelt werden. Der Jüdische Nationalfonds ist die größte Umweltschutzorganisation Israels. Er wurde 1901 gegründet. Er hat Vertretungen in 50 Ländern und sammelt Spenden für Umweltschutzprojekte in Israel.


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