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Musikgeschichte: Wie hielt es Richard Wagner mit der Religion?23. Mai 2013 in Chronik, 5 Lesermeinungen Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden
Philosophin: In Parsifal verbindet er Christus, Buddha und die Psychoanalyse
Würzburg/Schifferstadt (kath.net/idea) Am Komponisten Richard Wagner (1813-1883) scheiden sich die Geister: Die einen verehren sein Werk und pilgern jedes Jahr zu den Bayreuther Festspielen andere verabscheuen ihn unter anderem wegen seiner Judenfeindlichkeit. Adolf Hitler schwärmte für die Musik Wagners. In Israel wird sie nach wie vor boykottiert. Wie war das Verhältnis des am 22. Mai vor 200 Jahren geborenen Komponisten zur Religion? Dazu haben sich Wagner-Experten anlässlich seines Geburtstages geäußert. Nach den Worten der Musikwissenschaftlerin und Philosophin Ulrike Kienzle (Frankfurt am Main) hatte er zeitlebens ein enges Verhältnis zu Jesus als Religionsstifter, der in seinen Augen vor allem durch sein freiwilliges Leiden und sein Mitleiden ein Beispiel für die Menschheit gegeben habe. Wagners Verhältnis zum Christentum habe sich im Laufe seines Lebens mehrfach gewandelt, sagte Kienzle gegenüber der katholischen Zeitung Die Tagespost (Würzburg). In seiner revolutionären Zeit habe er die Kirche als abschreckend empfunden: Er sah sie verbündet mit den Reichen und Mächtigen, eine Unterdrückerin der Menschen und der freien Selbstentfaltung.
Für ihn sei aber auch klar gewesen: Was da geschah, war ein Missbrauch der ursprünglichen Botschaft Jesu. 1848 sei der Entwurf zu Jesus von Nazareth entstanden, einem Drama, in dem Jesus als Bühnenfigur auftreten sollte. Szenenentwürfe zeigten Jesus als Revolutionär der Liebe, durchaus auch im politischen Sinn. Kienzle zufolge lernte Wagner 1854 das Hauptwerk des Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860) im Schweizer Exil kennen. Bis dahin sei Jesus für ihn ein gescheiterter Revolutionär gewesen. Wagner habe erfahren, dass Leben Leiden heißt eine buddhistisch geprägte Erkenntnis. Aber er beginne auch das Christentum neu zu schätzen, das er vorher als eines der größten Irrtümer der Menschheitsgeschichte bezeichnet habe. Unter der Perspektive des Buddhismus und der von Schopenhauer geprägten Mitleidsethik sieht er in Jesu freiwilligem Leiden ein Beispiel, wie der Egoismus überwunden werden kann, so die Philosophin. Kienzle: Wagner vertrat eine Liebesreligion In seinem letzten Musikdrama Parsifal schaffe Wagner eine Synthese von Christentum und Buddhismus. In der Handlung finde man viele buddhistische Elemente. Kienzle: Durch das Gralsmysterium aber rückt Christus in den Mittelpunkt des Dramas. Die Ritter wiederholen im Gralsritus täglich die mystische Vereinigung mit Christus. Auf dem Höhepunkt der Feier seien die Worte zu hören Nehmet hin mein Blut, nehmet hin meinen Leib, auf dass ihr mein gedenkt. Laut Kienzle verbindet Wagner in Parsifal Christus, Buddha und die moderne Psychoanalyse etwa in der Figur der Kundry, die ihr Ur-Trauma, Christus am Kreuz verlacht zu haben, in ihren wiederkehrenden Existenzen immer wieder durchleben müsse. Kienzle zufolge war Wagners eigene Religion stets eine Liebesreligion: Im Holländer hebelt eine bedingungslose Liebe die Naturgesetze aus. Im Tannhäuser überwindet die Liebe den unbarmherzigen Spruch des Papstes. Im Ring sprengt die selbstlose Tat Brünnhildes den Kreislauf von Neid und Gier. Ex-Kirchenpräsident: Wagner war vom Heiland am Kreuz fasziniert Als Experte für die theologische Deutung der Werke Wagners gilt der frühere hessen-nassauische Kirchenpräsident Prof. Peter Steinacker (Frankfurt am Main). Im Deutschen Pfarrerblatt (Schifferstadt) schreibt er, dass sich Wagner ein Leben lang intensiv mit Religion befasst habe. Er habe hinduistische und buddhistische Quellen und Sekundärliteratur studiert und den im 19. Jahrhundert eskalierenden Streit um den historischen Jesus gespannt verfolgt. Lebenslang sei er von der Figur des Heilandes am Kreuz fasziniert gewesen. Steinacker zufolge bearbeiten Wagners Opern unter dem Leitthema Erlösung durch Untergang klassisch religiöse und theologische Themen. Obwohl völlig den Bedingungen einer säkularisierten Moderne unterworfen, finde der Komponist in der berückenden Musik des Parsifal eine Ausdrucksmöglichkeit von Religiosität. Der Mensch vollziehe seine Erlösung selbst durch Mitleid und Askese. Steinacker: Das ist buddhistisch und nicht christlich gedacht. Der Buddha hat nur den Weg zur Erlösung gezeigt; den Weg muss man selber gehen. Christlich ist der Christus den Weg stellvertretend gegangen, und die Erlösung ist reines Geschenk. Aus ihm folge die liebevolle Zuwendung zur Welt: Dieser Unterschied stimmt Christen ein, gelassen die wunderbare Musik des Parsifal zu bewundern und zu genießen. Foto Porträt Richard Wagner © Wikipedia/gemeinfrei
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Lesermeinungen | 24. Mai 2013 | | | Mir erscheint eine christliche Wagner-Interpretation nicht haltbar Das durchgängige Thema bei Wagner ist zwar "Erlösung durch Liebe" und da kann man einen Berührungspunkt mit dem Christentum sehen, ja. Aber folgende Einwände:
.) In einer spätromantischen Mittelalter-Oper lassen sich christliche Bezüge schwer vermeiden.
(PS. Im "Tannhäuser" dient die Figur des "Papstes" als am südlichen Horizont dräuender Bösewicht.)
.) Wagners erlösende Liebe ist weit mehr Eros als Agape. Und in der Regel ein gesetzloser Eros, bis hin zum Inzest von Siegmund und Sieglinde.
.) Richard Wagners einzige Religion war - ich bin sehr versucht zu sagen: Richard Wagner. Aber seien wir gnädig, es war 'die Kunst'.
.) Selbst im "Parsifal", dem vielleicht 'christlichsten' seiner Werke, findet man mehr Schopenhauer (und so die Verbindung zu buddhistischen Ideen) als Christentum.
(Alles übrigens als großer Bewunderer von Wagners Musik gesagt. Mittwoch abend hörte ich auf Arte aus dem Geburtstagskonzert in Bayreuth den ersten Akt der "Walküre".) | 3
| | | M.Schn-Fl 23. Mai 2013 | | | Der Gral und die Taube Der große Altmeister unter den Wagnerdirigenten Hans Knappertsbusch ( genannt Kna), bestand bei der Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele nach dem Krieg auf Wagner Regieanweisung für die Taube in der Schluszene im Parsival. Er legte Wieland Wagner heimlich ein Seil auf den Schreibtisch, damit die Taube beim Erstrahlen des Grals auf diesen herabgelassen werden konnte. Wieland Wagner konnte nicht umhin, die Taube über dem "eucharistischen" Geschehen nach Wagners Verständnis erscheinen zu lassen; denn Wagner wollte zum Ausdruck bringen, dass der heilige Geist die Wandlung vollbringt.
Dass jüngere Wissenschaftler hier eine Vermischung mit Buddhismus, Hinduismus und Psychoanalyse sehen wollen, ist wohl eher dem synkretistischen Zeitgeist geschuldet, als Wagners Intentionen. Hier muß man den Wangerschen Text des Gesamtwerkes mit der Musik mehr berücksichtigen. | 2
| | | M.Schn-Fl 23. Mai 2013 | | | ".. um deine gnadenreiche Huld nur anzuflehn für seine Schuld", endet das Gebet Elisabeths für Tannhäuser.
Gewiß war Wagner kein Katholik, aber der katholische Einfluß in seinem Werk ist überragend, auch wenn er sich mit Hilfe der Romatik einiges selbst zurecht machte.
Buddhismus und Hinduismus kann ich nicht erkennen,dafür aber sehr deutlich die mittelalterliche Sagenwelt. Eng gekoppelt mit der Frage der Erlsöung ist seine Auseinandersetzung mit dem Leben des Menschen im Spannungsfeld zwischen "äußerter Verworfenheit und aüßerster göttlicher Gnade", wie Benedikt XVI sagte. Und das steht so in der Bibel und ist kein genuin psychoanalytisches Element.
Im Parsival vollendet sich sichtbar das Erlösungselement im Erheben des himmlich erstrahlenden Kelches (des Grals): "Mein Blut, mein Leib, dass ihr meiner gedenkt". Wagners Regieanweisung für die Schlußszene lautet, dass über dem aufleuchtenden Gralskelch, der der Sage nach der Kelch des letzten Abendmahles Christi ist, die Taube des heiligen Geistes erscheinen muß. | 2
| | | M.Schn-Fl 23. Mai 2013 | | | "Die Taufe nimm und glaub an den Erlöser", sagt Parsival zur reuigen Kundry ("Bekenntnis wird Schuld in Reue enden, Erkenntnis in Sinn die Torheit wenden")
Im Glauben an den Erlöser kann ich nichts Buddhistisches erkennen. Oder hab ich in der falschen Fakultät studiert?
Taufe und Erlöser sind nach meinem Verständnis zentrale christliche Begriffe.
Im gesamten Werk Richard Wagners steht die Erlösung; von den "Feen" angefangen, über den Holländer, Tannhäuser bis hin zum Parsival. Er folgt zwar den mittelalterlichen Sagen vom Tannhäuser und dem Gral zu einer Zeit, als eine romantische Besinnug auf das Mittelalter viele Dichter auch in ihren religiösen Vorstellungen beflügelte, aber immer wieder kommt bei Wagner das christliche Element zum Ausdruck. Tannhäuser, der sich nicht aus dem Venusberg und dem Zauber befreien kann, ruft in höchster Not: "Mein Heil liegt in Maria". Daraufhin versinkt der Vernusberg mit seiner Göttin. Im Gebet Elisabeths "allmächtge Jungfrau hör mein Flehen, zu dir Gepriesene rufe ich", wird das deutlicher. | 2
| | | myschkin 23. Mai 2013 | | | Ich bin nun ein Bewunderer des "Parsifal", aber mit Christentum hat das Werk nicht viel zu tun. Es gibt darin etliche christliche Versatzstücke, die in Kombination mit buddhistisch-hinduistischen Elementen montiert werden, um in der Aura der Kunst eine private Mitleidsreligion zu verkünden. Faktum aber ist: Dass die "Eucharistie" im Parsifal falsch herum verläuft: Aus Blut und Fleisch werden Brot und Wein zur Stärkung der Gralsgemeinschaft. Und auf Karfreitag folgt in dem Stück keine Auferstehung. Wo soll da das Christentum sein? | 4
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