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| Das Freihandelsabkommen TTIP: Heilsbringer oder Teufelszeug?26. Februar 2015 in Kommentar, 2 Lesermeinungen Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA kurz TTIP sorgt für Diskussionen auch unter Christen. Ein Beitrag des Wirtschaftsjournalisten und bayerischen Synodalen Hans-Joachim Vieweger (München). München (kath.net/idea) Es bleibt spannend im griechischen Schuldendrama: Während Brüssel und Berlin darauf pochen, dass Verträge einzuhalten sind, verweist Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras auf den Wählerwillen. Schließlich ist er mit dem Versprechen gewählt worden, das angebliche Spardiktat zu beenden. An genau diesem Interessenkonflikt hier der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, da der Hinweis auf den Wählerwillen zeigt sich beispielhaft eines der Grundprobleme, die mit dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA verbunden sind. Doch eins nach dem anderen. Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze Vor rund zwei Jahren gaben der damalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und US-Präsident Barack Obama den Startschuss für eine neue Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft vom englischen Titel Transatlantic Trade and Investment Partnership stammt die Abkürzung TTIP, die derzeit durch die Lande geistert. Barroso und Obama verbanden dies mit großen Erwartungen: Wenn Europa und die USA ihre Handelsbeziehungen auf eine neue Grundlage stellten, bringe das Millionen Arbeitsplätze und neues Wachstum. Bundeskanzlerin Angela Merkel verweist seitdem auch gerne auf die politische Komponente: Ein solcher Vertrag sei ein wichtiges Signal für die zuletzt nicht immer einfachen Beziehungen zwischen Europa und den USA man denke nur an das Ausspähen deutscher Politiker durch den US-Geheimdienst NSA. Die Kirchen sehen es kritisch Seit Mitte 2013 haben bereits acht Verhandlungsrunden stattgefunden, was zeigt, dass es offenbar gar nicht so einfach ist, noch bestehende Zölle abzubauen sowie Vorschriften zu vereinheitlichen, die als Handelshemmnisse gelten. Wenn zum Beispiel europäische Unternehmen nur dann Produkte in die USA exportieren dürfen, wenn sie ganz besondere Normen und Vorschriften erfüllen, und umgekehrt. Seit dieser Zeit werden die Verhandlungen aber auch massiv kritisiert. Unter anderem von Kirchenvertretern. So hat die EKD-Synode bei ihrer Tagung im November in Dresden unter anderem auf folgende Punkte im Zusammenhang mit TTIP verwiesen. Die Verhandlungen müssten transparenter geführt werden, also nicht nur hinter verschlossenen Türen. Anfangs war sogar geheim, mit welchem Mandat die beiden Seiten bei den Verhandlungen ausgestattet waren. Das hat sich inzwischen auf der Seite der Europäischen Union geändert, auf amerikanischer Seite nicht. Zum Zweiten dürfe es bei der geplanten Vereinheitlichung von Vorschriften nicht zu einer Absenkung von Sozial-, Gesundheits- oder Umweltstandards kommen. Außerdem sollte überprüft werden, ob in einem Abkommen zwischen Europa und den USA überhaupt Investitionsschutzabkommen notwendig wären je mehr Sicherheit der Staat Investoren verspreche, so heißt es ergänzend in einem Diskussionspapier des Kommissariats der deutschen Bischöfe, desto stärker verliere der Staat seine politischen Handlungsspielräume. Wenn unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen Genau mit dieser Problematik sind wir aber wieder beim Griechenland-Dilemma angekommen. Warum? Nun: Unternehmen fürchten kaum etwas mehr, als dass sie viel Geld für Investitionen in die Hand nehmen, sich dann aber im Nachhinein die Rahmenbedingungen für die entsprechenden Investitionen verschlechtern, zum Beispiel durch strengere Gesetze. Sie pochen also darauf, dass Verträge einzuhalten sind. Was aber tun, wenn die Wähler siehe Griechenland eine andere Politik wollen, beispielsweise indem sie Parteien wählen, die für strengere Umweltauflagen plädieren? Es ist offensichtlich, dass hier unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen. In den TTIP-Verhandlungen wird daher überlegt, Unternehmen ein Klagerecht vor privaten Schiedsgerichten einzuräumen, deren Entscheidungen von nationalen Gerichten nicht mehr überprüft werden können für Kritiker das Ende der Demokratie. Unternehmer erhoffen sich Verbesserungen Der bayerische Unternehmer Günter Veit (Landsberg am Lech), der schon mehrfach beim Kongress christlicher Führungskräfte mitgewirkt hat, kann über diese Bedenken nur den Kopf schütteln: Schiedsgerichtsvereinbarungen sind heute Standard in Verträgen. Es sei in der Regel praktikabler und vor allem schneller, Streitigkeiten vor Schiedsgerichten auszutragen als vor nationalen Gerichten: Die sind doch völlig überlastet, so Veit. Im Übrigen habe sich eben nicht nur die Wirtschaft an Regeln zu halten, sondern auch die Politik. Wettbewerbsfähiger und weniger bürokratisch Vom geplanten Handelsabkommen erhofft sich Veit insgesamt deutliche Verbesserungen. Wie viele andere deutsche Unternehmer muss er seine Maschinen in den USA bislang an andere Normen anpassen als in Europa. Besonders teuer sind für ihn die US-Normen für elektrische Steuerungen sowie die amerikanische Dampfkesselverordnung. Würden die europäischen Sicherheitsvorschriften auch von den USA anerkannt, wäre er mit seinen Produkten in den USA nicht nur wettbewerbsfähiger, er könnte sich zudem viel bürokratischen Aufwand sparen. Chlorhühner für Europa? Allerdings: Während manche Unterschiede zwischen Europa und den USA auf überholten technischen Entwicklungen beruhen, gibt es für andere handfeste Gründe, die mit unterschiedlichen Rechtsvorstellungen bzw. unterschiedlichen Produktionsverfahren zusammenhängen. Hier kommt das berühmte Chlorhuhn ins Spiel, das zu einem Symbol der TTIP-Gegner geworden ist. Hühner kommen in den USA in ein Chlorbad, um die Salmonellengefahr einzudämmen. Viele Europäer wiederum fürchten beim Einsatz von Chlor gesundheitliche Schäden. Zwar hat die EU-Kommission mehrfach darauf hingewiesen, dass sie Chlorhühner in Europa nicht dulden will; Kritiker wollen das aber nicht glauben unter Hinweis darauf, dass die Verhandlungen nicht öffentlich geführt werden. Es geht auch um ethische Fragen Umgekehrt ist es nicht leicht festzustellen, ob hinter dem Beharren auf bestimmte Sicherheits-, Umwelt- oder Sozialstandards pure Besitzstandswahrung steht oder unterschiedliche kulturelle Traditionen, die auch dann nicht vereinheitlicht werden sollten, wenn dies der Wirtschaft dient. Als Beispiel nennt der katholische Sozialethiker und Weihbischof Anton Losinger (Augsburg) die Gentechnik: In den USA, Asien und in arabischen Ländern sei es problemlos möglich, dass werdende Eltern das Geschlecht ihres Kindes gentechnisch bestimmen ließen. Wächst der Markt hier zusammen, besteht die Gefahr, dass solche genetischen Methoden auch bei uns Eingang finden könnten. Bleiben die Entwicklungsländer auf der Strecke? Grundsätzlich allerdings, so Losinger, sei ein neues Handelsabkommen zu begrüßen, da es die Wirtschaft effizienter mache und damit den Wohlstand und die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mehre. Dass dies zumindest für die beteiligten Länder gilt, haben verschiedene Studien gezeigt. Nicht so eindeutig sind die Auswirkungen auf andere Länder. Vor diesem Hintergrund möchte der EKD-Ratsvorsitzende und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in die TTIP-Verhandlungen auch folgende Frage einbringen: Was bringt das Freihandelsabkommen nicht nur uns, sondern den Entwicklungsländern? Wenn mit einem solchen Abkommen Liberalismus und freie Marktbeziehungen absolut gesetzt und Entwicklungsländer geschwächt würden, dann sei ein solcher Freihandel problematisch zu bewerten, so Bedford-Strohm. Es müsse vielmehr immer darum gehen, den Markt so zu gestalten, dass davon auch die Schwächsten profitieren. Das Verhandlungsergebnis ist für 2016 geplant Mit all diesen Fragen müssen sich in den kommenden Monaten die beiden Verhandlungsseiten auseinandersetzen. Bislang ist geplant, das Ergebnis der Verhandlungen bis Anfang kommenden Jahres vorzulegen. Dann müssen die Parlamente entscheiden: denn ohne demokratische Legitimation kann auch ein Handelsabkommen wie TTIP nicht in Kraft treten. Ihnen hat der Artikel gefallen? 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