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Bischof Bertram Meier sieht die Versöhnung mit Polen auf einem guten Weg

vor 2 Stunden in Interview, 1 Lesermeinung
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60 Jahre Briefwechsel – Austausch weitertragen – Interview der Katholischen SonntagsZeitung/Neue Bildpost mit Bischof Bertram Meier


Berlin (kath.net/Katholische SonntagsZeitung/Neue Bildpost) Es war geradezu eine politische Sensation, als die polnischen Bischöfe am 18. November 1965, gegen Ende des Zweiten Vatikanums und mitten im Kalten Krieg, an ihre deutschen Amtsbrüder schrieben. „Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung“, hieß es in dem Schreiben. Wie ist es heute, 60 Jahre später, um die polnisch-deutsche Versöhnung bestellt? Im Exklusivinterview nimmt dazu Bischof Bertram Meier Stellung, der Co-Vorsitzende der Kontaktgruppe der Deutschen und der Polnischen Bischofskonferenz sowie Weltkirche-Bischof.

Herr Bischof, Sie kommen selbst aus einer Vertriebenenfamilie. Als die polnischen Bischöfe 1965 den Brief schrieben, galt in Deutschland noch allerorten: „Schlesien bleibt unser!“ Glauben Sie, dass die Fragen der verlorenen deutschen Heimat jetzt zufriedenstellend gelöst sind?

Bischof Bertram Meier: Der Briefwechsel gehört zu jenen geschichtsmächtigen Ereignissen der 1960er Jahre, mit denen in Deutschland ein Prozess der Anerkennung der politischen Realität nach dem Weltkrieg und dem moralischen Bankrott Deutschlands begonnen hat. Fast gleichzeitig, im Oktober 1965, wurde von der Evangelischen Kirche in Deutschland die sogenannte Ostdenkschrift veröffentlicht, die eine Versöhnung mit Polen anstrebte und Akzeptanz der Realitäten anmahnte. Das war für viele Vertriebene mühsam, für nicht wenige auch skandalös und hat den Kirchen damals viel Kritik eingebracht. 

Im Zuge der Ostpolitik, spätestens aber mit der endgültigen Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze im Rahmen der deutschen Einheit 1990, ist die Tatsache des Verlustes dann von den allermeisten Menschen akzeptiert worden. Viele katholische Vertriebenenverbände waren hier Vorreiter; schon lange vor 1990 sind sie zu Aussöhnung und Unterstützung der polnischen Katholiken übergegangen.

Soweit ich dies sehe, gibt es von deutscher Seite keine Forderungen mehr an Polen, die an die Geschichte anknüpfen. Gerade Breslau, wo wir den Jahrestag des Briefwechsels feiern, bezeugt eine andere Entwicklung, die nicht der Logik von Forderungen und Gegenforderungen folgt. 

Breslau ist ein Ort, der Vertreibung und Heimatsuche in besonderer Weise deutlich macht: In der geräumten, stark zerstörten Stadt wurden 1945 nach der Vertreibung der deutschen Bewohner viele Polen angesiedelt, die ihrerseits die polnischen Ostgebiete, die heutige Westukraine, verlassen mussten. Sie lebten zunächst in der Ungewissheit, ob die Deutschen zurückkommen und ihre alten Wohnungen beanspruchen würden. 


Heute lebt die Stadt mit dieser Vergangenheit als deutsche und polnische Stadt und beginnt, die Geschichte vor und nach 1945 zu verknüpfen. Wir müssen gemeinsam lernen, mit den Brüchen unserer Geschichte zu leben.

Katholische SonntagsZeitung/Neue Bildpost: Den Deutschen wurde von manchen Polen „Revanchismus“ attestiert. Heute werden immer wieder Reparationsforderungen gestellt. Spielt das eine Rolle, wenn Sie mit polnischen Amtsbrüdern zusammenkommen?

Bischof Bertram Meier: In der Begegnung mit den polnischen Amtsbrüdern spielt diese Frage allenfalls eine untergeordnete Rolle. Wir haben ein einzigartiges Gremium, die deutsch-polnische Kontaktgruppe der beiden Bischofskonferenzen, in der sich jährlich drei deutsche und drei polnische Bischöfe treffen und über aktuelle Themen austauschen. Ich bin der deutsche Co-Vorsitzende der Gruppe, gemeinsam mit dem Erzbischof von Lublin auf polnischer Seite. Wir greifen in unseren Treffen aktuelle Fragen aus Kirche und Gesellschaft auf und informieren uns in vertraulicher Runde über das, was uns bewegt.

Da sprechen wir natürlich auch über die Forderungen nach Reparationen, die jetzt lautstark von Teilen der polnischen Politik geäußert werden. Die polnischen Bischöfe machen in solchen Gesprächen und auch öffentlich eines immer sehr deutlich: Mögliche Streitfragen sollen so diskutiert werden, dass das erreichte Niveau der Aussöhnung nicht gefährdet wird. Eine Haltung der Aufrechnung von Ansprüchen würde dem fundamental widersprechen – und natürlich erst recht dem Geist des Briefwechsels und unserem Bemühen um Versöhnung. 

Selbstverständlich bedeutet das aber nicht, dass um des lieben Friedens willen ein Mantel des Schweigens über die Vergangenheit gebreitet werden sollte. Im Gegenteil: Mit Verdrängung gelingt keine Aussöhnung. Wir müssen die Vergangenheit, die Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus und alles, was daraus resultierte, aufarbeiten und aussprechen. Wir müssen die Wunden ernstnehmen, die oftmals noch bis heute schmerzen. Manches können wir auch nur Gott hinhalten und aushalten. 

1965 schrieben die polnischen Bischöfe den großartigen Satz: „In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung.“

Die deutschen Bischöfe beendeten 1965 ihre dankbare und hoffnungsvolle Antwort, formuliert in Rom, kurz nach dem Erhalt des polnischen Briefes mit den Worten: „Mit brüderlicher Ehrfurcht ergreifen wir die dargebotenen Hände. Der Gott des Friedens gewähre uns auf die Fürbitte der ‚Regina pacis‘, dass niemals wieder der Ungeist des Hasses unsere Hände trenne.“

Dieser Geist trägt auch heute noch unsere Begegnungen und lässt keinen Raum für Revanchismus.

Katholische SonntagsZeitung/Neue Bildpost: Europa lebt – Unterschiede innerhalb Europas leben Gott sei Dank auch. Den Menschen in Polen wird oft im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine besonders innige Frömmigkeit nachgesagt. Ist da was dran?

Bischof Bertram Meier: Ob es in Polen generell eine innigere Frömmigkeit gab oder gibt, kann ich nicht sagen. Man sollte auch immer vorsichtig sein mit derartigen Generalisierungen, besonders wenn es um das innere Erleben der Menschen geht. 

Die polnische Frömmigkeit ist aber auf jeden Fall anders geprägt als die in Deutschland geläufigen Formen. Jede Kultur hat ihre eigenen Traditionen, da spielt in Polen auch hinein, dass die katholische Kirche dort ein Bewahrer der Sprache und Kultur des Landes in den langen Zeiten der Teilungen, der nationalsozialistischen Okkupation und auch während des kommunistischen Regimes war. 

Bis heute kennt Polen auch tief verankerte Formen der Volksfrömmigkeit. So ist die reiche Tradition der Marienverehrung in Polen viel stärker erhalten als bei uns. Zur Wahrheit gehört aber, dass auch in unserem Nachbarland die Säkularisierung der Gesellschaft in hohem Tempo voranschreitet.

Vieles ist nicht vergleichbar, aber die Kirche in Polen steht vor Herausforderungen, die uns nicht fremd sind: Die Aufarbeitung des Missbrauchs ist ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Kirche, die Zahlen der Gottesdienstbesucher und des Priesternachwuchses sind rückläufig und Priester und Bischöfe müssen sich kritischen Fragen der Öffentlichkeit stellen. 

Katholische SonntagsZeitung/Neue Bildpost: In den vergangenen Wochen waren Sie bereits mehrfach gefragter Gesprächspartner bei Symposien und akademischen Veranstaltungen zum Stand des deutsch-polnischen Dialogs. Überwiegt die Zufriedenheit oder gibt es auch 60 Jahre nach dem Briefwechsel noch viel Handlungsbedarf?

Bischof Bertram Meier: Zufriedenheit wäre ein schlechter Ratgeber, wenn damit gemeint wäre, dass wir uns gleichsam auf unseren Lorbeeren ausruhen wollten. Wir dürfen dankbar auf das Erreichte zurückblicken, aber der Prozess der Versöhnung ist nicht abgeschlossen. Versöhnung ist ein Projekt für Generationen und leider führen Nationalismus und Bequemlichkeit auch zu Rückschlägen. 

Aus der Generation, die in den 1960er Jahren die ersten Kontakte aufgebaut hat, leben nur noch wenige. In den 1990er Jahren gab es eine zweite Generation, die die seit 1990 gegebenen Freiheiten nutzte und neugierig auf den jeweiligen, bis dahin unerreichbaren Nachbarn war. Heute aber geht es darum, den Austausch zwischen Deutschen und Polen erneut in die nächste Generation zu tragen. 

Bei jungen Polen ist Deutschland nicht erste Wahl und bei jungen Deutschen ist es Polen nicht. Vielleicht auch, weil Reisen und Kontakt über Oder und Neiße so alltäglich geworden sind, muss das tiefere Interesse für das Kennenlernen neu geweckt werden. Zugleich gefährden nationalistische Vorurteile das Zusammenleben in Europa, auch zwischen unseren beiden Ländern. Da müssen wir konstant gegenarbeiten und dürfen uns nicht von Populisten und Extremisten auseinanderbringen lassen.

Katholische SonntagsZeitung/Neue Bildpost: Der russische Überfall auf die Ukraine hat den Osten Europas stark ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Bringt die gemeinsam empfundene Bedrohung durch Russland die Länder Europas stärker zusammen, oder ist Ihrer Meinung nach das Gegenteil der Fall: nämlich, dass eigene Interessen immer wichtiger werden? 

Bischof Bertram Meier: Von Russland geht heute eine Bedrohung aus, die viele Polen früher und deutlicher gesehen haben als wir in Deutschland. Diese Bedrohung sollte uns zusammenführen. Denn nur gemeinsam können die europäischen Völker Frieden und Freiheit bewahren und schützen. Und dafür brauchen wir eine starke Achse Deutschland – Polen. 

Gerade in der gegenwärtigen Lage gibt es also zwischen Polen und Deutschland ein starkes Fundament gemeinsamer Interessen. Deshalb gehören beide Länder auch zu den engagiertesten, wenn es um die Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Imperialismus geht. Beide waren und sind auch bereit, eine große Gruppe von ukrainischen Kriegsflüchtlingen aufzunehmen.

kath.net dankt dem Bistum Augsburg für die freundliche Erlaubnis zur Weiterveröffentlichung.
Archivfoto Bischof Bertram Meier (c) Bistum Augsburg


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Lesermeinungen

 Versusdeum vor 2 Stunden 
 

Im ersten Moment dachte ich,

ein weiterer Bischof äußert sich zum jugendgefährdenden Pamphlet der Bischofskonferenz. Na ja, kann ja noch kommen.


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